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Was ist eigentlich „RECHTS“?

Dies ist ein persönlicher Text als Beitrag zur Diskussion, geschrieben von unserer OMA Hilde von Balluseck, zitiert aus ihrem Blog.

Die OMAs gegen Rechts kämpfen gegen Rechts, ich habe mich ihnen angeschlossen. Und was ist rechts?

Traditionell steht „konservativ“ für rechts, „progressiv“ für links. Dabei bezeichnen sich inzwischen auch Mitglieder der Grünen als konservativ. Die Gleichheit aller Menschen gilt als „links“, aber diese Gleichheit hört bei mehr oder weniger Mitgliedern aller Parteien bei den Ausländern auf. Nur die AFD ist eindeutig rechts. Diese Bezeichnung wäre wiederum zu schwach, weil die AFD zumindest in Teilen rechtsextremistisch ist.

Die Begriffe sind schwammig geworden, daher lohnt es, sich mit ihnen zu befassen, bevor man sie verwendet. Ich habe dazu einige Quellen verwendet, die im Anhang dieses Artikels genannt werden. Es sind insbesondere die Leipziger Autoritarismusstudie von 2018 und die Mitte-Studie aus Bielfeld, auf die ich mich stütze.

Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus

Das eigentliche Kennzeichen des Rechtsextremismus ist der Umgang mit dem Begriff Gleichheit. Nach unserer Verfassung haben Menschen bei aller biologischen, biographischen und sozialen Verschiedenheit die gleiche Würde und somit die gleichen Rechte.

Die Rechtsradikalen konstruieren unterschiedliche Rechte für unterschiedliche Gruppen von Menschen, bis hin zur Ausweisung aus dem Gemeinwesen. Sie  bestehen auf einer Ungleichwertigkeit von Menschen.   

Politisch wird zwischen Rechtsradikalismus und Rechtsextremismus unterschieden, wobei Rechtsradikalismus als mit der Verfassung vereinbar gilt, hingegen jede Form von Extremismus in den Aufgabenbereich des Verfassungsschutzes und weiterer Behörden fällt (Decker 2018: 27, vgl. auch  https://www.bpb.de/politik/extremismus/rechtsextremismus/41312/was-ist-rechtsextrem).  Eine genaue inhaltliche Abgrenzung des Rechtsradikalismus vom Rechtsextremismus habe ich nicht gefunden.

Laut Decker hat der Rechtsextremismus  sechs Dimensionen: Befürwortung einer rechtsautoritären Diktatur, Chauvinismus, Ausländerfeindlichkeit, Antisemitismus, Sozialdarwinismus, NS-Verharmlosung  (a.a.O.: 17, 18; sowie auch bei Decker u.a., a.a.O.: 71). Er bedeutet Verzicht auf die Gleichheit aller und auf Pluralität.  Die Mitte-Studie stimmt damit im Wesentlichen überein.

Rechtspopulismus beinhaltet die Gegenüberstellung von Volk und Elite, die Konstruktion eines homogenen Volkes, Antipluralismus. Die Rhetorik ist geprägt von Begriffen wie „Volksaufstand gegen Diktatur“,“ Lügenpresse“, ausbeuterische Eliten. Diese Auffassungen münden in Verschwörungstheorien, sehr deutlich auch während der Corona-Epidemie.  Dass der Begriff des Populismus Konjunktur hat, ist dem Versuch geschuldet, den Rechtsextremismus „durch eine Art ‚Extremismus-light‘- Vorwurf“ zur verharmlosen (a.a.O.: 31).

Rechtsextremistische Überzeugungen sind nicht nur am Rande der Gesellschaft zu finden, sondern kommen  aus der Mitte. WählerInnen ALLER Parteien neigen rechtsextremistischen Positionen zu, am meisten bei der AFD, am wenigsten bei den Grünen.

Demokratie ist nicht gleich Demokratie

Über 90 % der Befragten stimmen Demokratie als Idee zu. Aber nur die Hälfte der Befragten ist mit der konkreten Umsetzung der Demokratie zufrieden. Zugenommen hat die Zustimmung in den neuen Bundesländern (Decker u.a. 2018:96f.) Die Zustimmung zur Demokratie verträgt sich bei einer großen Mehrheit mit der Forderung, bestimmten Gruppen die gleichen Rechte abzuerkennen (99). Die Muslimfeindschaft hat zugenommen, die Ablehnung von Sinti und Roma ist nach wie vor sehr hoch, die Abwertung von Asylbewerbern hat zugenommen: 61,5 % der Befragten wollen nicht an die Berechtigung von Asylanträgen glauben.

Die Demokratie und demokratiefreundliche Gesinnungen werden durch rechtsextremistische Einstellungen ausgehöhlt. Gegen Rechtsextremismus zu kämpfen heißt Einsatz für eine Demokratie, in der die Menschenrechte für alle Menschen gelten.

Ursachen für Rechtsextremismus

Das Versprechen auf immerwährendes Wachstum und Wohlstand, das zumindest die bundesdeutsche Gesellschaft zusammengehalten und die DDR-Bürger angelockt hat, kommt an seine Grenzen. Nur Kriege können noch für Wachstum garantieren: Durch Waffenproduktion und den Wiederaufbau nach der Zerstörung.  Die Angst vor dem Verlust der scheinbaren Sicherheiten und vor dem Abstieg der Ökonomie erhöht die Attraktivität autoritärer Erklärungen. „Diese Autoritätssehnsucht kann durch verschiedene Ideologien befriedigt werden, nicht nur durch die rechtsextreme“ ( 51). Dabei weist das autoritäre Syndrom ein „Mischungsverhältnis von autoritärer Aggression, eigener Unterwerfungsbereitschaft und Konventionalismus mit demokratischen, anerkennenden und nicht-destruktiven Bedürfnissen“ auf (53).

Es ist weniger der niedrige soziale Status als der niedrige Bildungsstand, der anfällig für Rechtsextremismus macht. Aber: Der Bildungsstand kann auch täuschen, weil Gebildete besser erkennen, welche Antworten erwünscht sind.  

Hinzuzufügen ist hier aber unbedingt die fehlende Aufarbeitung der Nazi-Herrschaft in Institutionen und Familien beider deutscher Staaten (s. z.B. Winkler 2019).

Rechtsextremismus ist eine  Krake, die bestimmter gesellschaftlicher Bedingungen bedarf, um stärker zu werden und ihr Haupt aus dem Schlamm zu erheben. Dazu gehören Ängste vor sozialem Abstieg, Veränderung der Bevölkerungsstruktur durch Zuwanderung, Idealisierung einer vermeintlich besseren Vergangenheit, soziale Medien und ihre Netzwerke.  

Geschlechtlichkeit, die Rolle der Frauen und Heteronormativität

Generell ist der Rechtsextremismus von der Angst vor der Eigenständigkeit von Frauen beherrscht bis hin zum Hass auf Frauen bei rechtsextremistischen Terrorristen (z.B. Breivik und der Attentäter von Christ Church, vgl. dazu den letzten Teil der Dokumentation https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/wurzeln-der-gewalt-rechter-terror-in-deutschland–100.html.) Nehmen wir die Incels dazu, die heute nicht nur vereinzelte arme Kerle, sondern eine organisierte Gruppe sind, nehmen wir die unter „Familiendrama“ laufenden Morde an Frauen (Femicide) dazu, dann zeigt sich, dass die Angehörigen des männlichen  Geschlechts, die von ihrer Dominanz nicht ablassen wollen, zu allem bereit sind. Nicht alle Rechten morden Frauen, aber wenn Männer Frauen verachten und sogar ermorden, liegt oft eine rechte Gesinung zugrunde.

Aufgrund ihrer patriarchalischen Fixierung sind Rechte auch gegen das sexuelle Selbstbestimmungsrecht von Frauen und für den § 218. Dabei muss man hinzufügen: Das gilt natürlich nur für die deutsche, weiße Bevölkerung. Frauen anderer Herkunft, anderer Hautfarbe würde es wohl, wenn die Rechtsradikalen an die Macht kommen, so gehen, wie den Uiguren in China, wenn sie nicht des Landes verwiesen würden.

Unklare Geschlechtszuweisungen und homoerotische Orientierung können für auf Heterosexualität fixierte Menschen irritierend und beängstigend sein. Bei Rechtsradikalen wird daraus ein Beharren auf dem angeblich „Normalen“ bis zum Hass auf Andersartigkeit.

Quellen

Oliver Decker/Elmar Brähler (Hrsg., 2018): Flucht ins Autoritäre. Rechtsextreme Dynamiken in der Mitte der Gesellschaft. Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2018.

 file:///C:/Users/Hilde/Dropbox/Politik/leipziger_autoritarismus-studie_2018_-_flucht_ins_autoritaere_.pdf. Veröffentlichung durch Heinrich Böll Stiftung und Otto Brenner Stiftung. Den Hinweis auf die Studie verdanke ich Brigitte Müller.

Oliver Decker: Flucht ins Autoritäre. In: Decker/Brähler 2018, Seite 15-64.

Oliver Decker, Johannes Kiess, Julia Schuler, Barbara Handke, Elmar Brähler: Die Leipziger Autoritarismus-Studie 2018: Methode, Ergebnisse und Langzeitverlauf. In: Decker/Brähler 2018: 65-

Kritik an der Autoritarismus-Studie:  https://de.wikipedia.org/wiki/Mitte-Studien_der_Universit%C3%A4t_Leipzig#Kritik

Andreas Zick / Beate Küpper / Wilhelm Berghan: Verlorene Mitte – Feindselige Zustände. Rechtsextreme Einstellungen in Deutschland 2018/19.Die sogenannte Mitte-Studie, erstellt von der Friedrich-Ebert-Stiftung in Zusammenarbeit mit dem Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld (IKG). Fortsetzung der von Heitmeyer begründeten Studien. Kurzzusammenfassung:  https://www.fes.de/index.php?eID=dumpFile&t=f&f=39654&token=b0885615499aae36a49159101cc5a114769827c4

Willi Winkler: Das braune Netz. Wie die Bundesrepublik von früheren Nazis zum Erfolg geführt wurdeBerlin 2019